Warum Tantrika keinen Verschwörungsgeschichten nachhängen
Die Sache ist sehr einfach: Authentisches Tantra zu üben und Verschwörungserzählungen nachzuhängen schließt sich gegenseitig aus.
Hier nur einige der Ursachen dafür:
- Tantra-Übende sind sich bewusst, dass sie nichts Besonderes sind. Sie sind ganz normale Menschen, machen Fehler, irren sich, missverstehen andere, flippen aus – und korrigieren ihre Irrtümer, sobald sie sie erkennen und so rasch sie es in der jeweiligen Situation fertigbringen. Sie bemühen sich um Erkenntnis, sind aber nicht im Vollbesitz der Wahrheit – weit entfernt davon. Und das wissen sie.
- Alles was sie tatsächlich wissen, kann man in einer guten Enzyklopädie nachschlagen, oder auf Wikipedia, oder bei Expert*innen erfragen. Sie sind keine “eingeweihten” Geheimnisträger – und die Dinge, die sie mit anderen vielleicht nicht teilen, kann jede*r mit etwas Engagement selbst erfahren.
- Wer sich auf einem authentisch tantrischen Pfad befindet, glaubt nicht, dass andere ihm/ihr übel wollen. Ja, es gibt Menschen, die anderen schaden, indem sie vehement ihre eigenen Interessen durchsetzen; das ist aber in den allermeisten Fällen nicht persönlich gemeint – schon gar nicht, wenn es sich dabei um Institutionen wie “die Medizin” oder ganze Staaten handelt (ein Staat, der seine Bürger*innen auslöschen möchte, wäre wie jemand, der am Ast sägt, auf dem er sitzt).
- Auf dem tantrischen Pfad übt man sich in Authentizität – und das führt auch dazu, dass man Wahr von Falsch zu unterscheiden lernt, zB. in den Medien.
- Der tantrische Weg fördert neben Qualitäten wie Erkenntnis, Bewusstheit, Verbindung zu allem was ist herstellen und daraus resultierender Lebensfreude auch rationales Denken, Vernunft und Logik: Dass eine Verschwörung, die allgemein bekannt ist, keine sein kann, leuchtet dem rationalen Blick ein.
- Ernsthaft Übende verzichten darauf, Recht haben zu müssen. Sie haben nicht den Drang, die anderen von der eigenen Wahrheit zu überzeugen; sie wissen, dass man vieles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann. Die Frage ist: Wie können wir Wege finden, friedlich zusammenzuleben?
- Um diese Frage zu beantworten, finden Tantrisch Übende Halt und Orientierung in ethischen Grundsätzen. Je fortgeschrittener, desto gelassener, milder und geduldiger mit sich und anderen.
- Vielleicht der wichtigste Punkt: Wer sich ernsthaft mit authentischem Tantra beschäftigt, löst sich von Konzepten wie “wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen” oder vereinfacht, “wir gegen die anderen”. Denn wenn ich – vielleicht nur für einen kurzen Augenblick – wirklich erkannt habe, dass ich mit allem verbunden bin, dass es keine Trennung gibt, dass alles was ich für oder gegen andere tue, ich mir selbst antue, und umgekehrt, kann ich meine Opferhaltung nicht mehr aufrecht erhalten. Und damit werde ich wieder handlungsfähig und kann Entscheidungen treffen: Entscheidungen mit Herz. Und mit Hirn.
© Helena Krivan, 2023
Danke für den schönen Artikel!
Ich würde noch ergänzen: Bewusst lebende Menschen – und als solche verstehe ich Tantriker – verstehen es, Angst in Furcht zu verwandeln. Das heißt: Es gelingt ihnen, eventuelle Unsicherheiten und vage Zukunftsängste im Rahmen eines Urvertrauens zu betrachten und in einer Form zu benennen, die einen selbst nicht aus der Verantwortung entlässt. Die durch diese Benennung verwandelte Angst in Furcht schenkt dem Tantriker den nötigen Handlungsspielraum, den Aufgaben in diesem Leben konstruktiv zu begegnen. Anstatt sich in metaphysischen Spekulationen und Schuldzuweisungen zu verlieren und darin zu erstarren, gelingt ihm eine erfreuliche und beschwingte Teilnahme an der Gestaltung dieser unserer Welt, die das Umfeld bewegt, selbiges zu tun.